VON AUTOGEN UND VEGETATIV: YOGA UND DAS NERVENSYSTEM

VON AUTOGEN UND VEGETATIV: YOGA UND DAS NERVENSYSTEM

Geht Dir auch oft etwas auf die Nerven? Der Spruch kommt nicht von irgendwoher, denn unser Nervensystem regelt so einiges in unserem Körper. Wahrscheinlich hast Du schon mal davon gehört, aber weißt Du auch, dass Du es mit Yoga regulieren kannst? Wenn Du das verneinst, dann bist Du damit nicht allein. Darum erlaube uns, Dich auf eine Reise in die Tiefen unseres Unterbewusstseins mitzunehmen.

Nichts für schwache Nerven

Unser Nervensystem ist geteilt in zentrales und peripheres Nervensystem. Ersteres umfasst unser Gehirn und Rückenmark und beschäftigt sich mit Denken, Informationsverarbeitung und Emotionen. Das periphere – also das weiter vom Gehirn entfernte – Nervensystem umfasst alles, was über das zentrale Nervensystem hinausgeht. Hier befindet sich das vegetative, oder auch autonome, Nervensystem. Die zwei Gegenspieler Sympathikus und Parasympathikus, die hier angesiedelt sind, reagieren auf Deine Umwelt und regulieren Deine Körperfunktionen entsprechend.

Im Yoga sprechen wir insbesondere das vegetative Nervensystem an. Eine Regulierung ist in der heutigen Welt besonders wichtig, da wir mittlerweile besonders vielen Stressoren ausgesetzt sind und eine Störung, eine unzureichende Regulierung, unter anderem zum Burnout führen kann. Aber widmen wir uns zuerst den beiden Beteiligten, Sympathikus und Parasympathikus, von denen Du vielleicht schon mal gehört hast. Der Sympathikus ist der Aktivierer, er kann Adrenalin ausschütten, was wiederum Deinen Herzschlag beschleunigen, Deine Pupillen weiten und das Blut in Deine Extremitäten pumpen kann. Er bereitet Dich, wenn er Gefahr wittert, auf Kampf oder Flucht vor. Dieser Überlebensmechanismus wird seit Jahrtausenden von unseren Vorfahren weitervererbt und ist auch heute noch aktiv. Während die Gefahren damals vor allem körperlicher Natur waren, wie zum Beispiel der potenzielle Angriff eines Säbelzahntigers, so sind unsere heutigen Gefahren primär mental. Die Reaktion unseres Nervensystems darauf ist jedoch dieselbe. Der Parasympathikus hingegen ist der beruhigende Gegenspieler zum Sympathikus. Er reguliert entgegengesetzt und kann Deinen Herzschlag reduzieren, Deine Verdauung anregen und sorgt so für Erholung und Ressourcenaufbau im Körper.

Aufgrund des erhöhten Stresspensums, das viele Menschen heute verspüren, sind wir zu häufig oder gar permanent im sympathischen Modus, was wiederum zu Krankheiten führen kann. Stresskrankheiten sind zum Beispiel erhöhter Blutdruck, Schlafstörungen oder ein geschwächtes Immunsystem. Das kommt daher, dass der Ressourcenaufbau im Körper, zum Beispiel für ein intaktes Immunsystem, zu kurz kommt. Mit der Zeit stellt der Parasympathikus immer mehr seine Arbeit ein und mit steigendem Alter lässt der Ressourcenaufbau zudem ohnehin mehr und mehr nach. Allerdings gibt es natürlich auch Menschen, die primär in der parasympathischen Aktivität sind. Hier sind zum Beispiel Antriebslosigkeit, Müdigkeit oder Apathie häufige Symptome.

 

Wie kann ich mein Nervensystem regulieren?

Egal, ob Du primär in der sympathischen oder parasympathischen Aktivität bist, Deine Yogapraxis ist dazu da, um Dich zu regulieren und Dein Nervensystem wieder in einen Normalbereich zu bringen. Schwankungen sind hier normal, da die beiden Gegenspieler hierrauf- und runterregulieren – den Normalbereich verlassen wollen wir allerdings nicht. Primär geht es Deinem Nervensystem darum, zu überleben. Es will Dir dafür rasch entsprechende Energien zur Verfügung stellen, sei es, um wegzulaufen oder zu kämpfen. Den dafür benötigten Ressourcenaufbau wollen wir im Yoga bedienen, was eine Aktivität des Parasympathikus‘ ist.

Eine Möglichkeit, das Nervensystem zu steuern, ist der Atem. Während Du mit Deiner Einatmung Deinen Sympathikus stimulierst, aktiviert die Ausatmung den Parasympathikus. Merkst Du also, dass sich Dein Herzschlag schon wieder beschleunigt oder fühlst Du Dich einfach generell gestresst, dann kann es hier schon mal helfen, bewusst und langsam durch den Mund auszuatmen. Generell atmen wir im Alltag häufig zu schnell und zu oberflächlich, darum kannst Du präventiv, zum Beispiel immer, wenn Du an Deine Atmung denkst, bewusst ein- und ausatmen. Die Kraft der Atmung kennst Du vielleicht schon von der Lamaze-Atmung, die Schwangere bei der Geburt häufig anwenden.

Eine weitere Methodik, die Du problemlos abseits der Matte anwenden kannst, ist Deine persönliche Einstellung. Oft ist es nämlich nicht nur der Stressor, der uns beunruhigt, sondern, wie wir mit ihm umgehen. Siehst Du zum Beispiel eine neue Aufgabe als Überlastung oder als Herausforderung? Sagst Du innerlich, Du musst das jetzt tun oder Du willst das jetzt tun? Das kannst Du zum Beispiel wunderbar in Deiner Freizeit einbauen, denn auch hier tendieren viele dazu, sich zu stressen, weil sie heute noch ins Fitnessstudio wollen. Probiere es aus und lass‘ Dich überraschen!

Dein Körper liebt Routinen. Bevor es noch kein elektronisches Licht, geschweige denn elektronische Geräte gab, war unser natürlicher Tag-Nacht-Rhythmus viel ausgeprägter. Heute werden unsere Augen und unser Gehirn verwirrt und wir bleiben meist länger auf, da wir uns künstlich wachhalten. Da ein gesunder Schlaf unfassbar wichtig ist, um Deine Ressourcen aufzubauen, empfehlen wir Dir, das Handy oder Tablet mindestens eine halbe Stunde vor dem Schlafen wegzulegen, und zum Buch zu greifen oder vielleicht noch für ein paar achtsame Augenblicke auf der Matte Yin Yoga zu praktizieren.

 

Und wie hilft mir Yoga dabei?

Davon abgesehen, dass all die bereits genannten Tipps zu einer ganzheitlichen Yogapraxis gehören, gibt es noch konkretere Methoden, wie Du auf Deiner Matte bewusst Dein Nervensystem regulieren kannst. Welche am besten zu Dir passt, hängt davon ab, wie Du Dich vor Deiner Praxis fühlst. Eine Kombination aus aktiverem Yoga wie Hatha oder Vinyasa mit einem Übergang zu Yin und Meditation wäre ideal, um Dein Nervensystem zu regulieren, wenn Du nicht genau sagen kannst, ob Du Dich eher sympathisch, also aktiviert, oder parasympathisch, also antriebslos, fühlst.

Wie könnte eine solche Praxis aussehen? Du fängst an mit ein paar dynamischeren Erwärmungen, wie Katze-Kuh, Sufi Kreisen oder der dynamischen Schulterbrücke. Wichtig ist hier, dass Du, wenn es Dir zu viel wird, weniger machst oder gleich zum Yin-Teil übergehst. Danach könntest Du ein paar Standhaltungen wie den Baum, der Dich zudem noch erdet, und der Kriegerin einbauen. Dann führt Dich die stehende Grätsche wieder Richtung Boden zurück, wo Du beispielsweise die Haltung des Kindes, den liegenden Schmetterling und Viparita Karani (Beine an die Wand) praktizierst. Ein abschließendes Savasana mit einer kurzen Meditation machen Deine Praxis dann so richtig rund.

Fühlst Du Dich super gestresst und weißt gar nicht mehr, wo Dir der Kopf steht? Dann probiere es doch mit ein paar Entspannungshaltungen, die mehr Aktivität fordern.

Wie könnte eine solche Praxis aussehen? Du startest mit ein paar Atemübungen, wo Du laut oder bewusst durch den Mund ausatmest, wie der Pferdeatmung, dem Holzhacken oder der Mukha Bhastrika (Blasebalkatmung). Das hilft Dir dabei, den Stress erstmal rauszulassen, um anschließend offen für Erholung zu sein. Danach gehst Du über in eine progressive Muskelentspannung und bleibst anschließend liegen oder schließt die oben genannten Yin-Yoga-Haltungen an.

Fühlst Du Dich schlapp und brauchst wieder Energie? Dann ist eine sanfte, aber aktivierende Praxis wie Yin zu Hatha oder Ashtanga vielleicht etwas für Dich.

Wie könnte eine solche Praxis aussehen? Oft ist hier die Überwindung das Problem, darum starte mit einer oben genannten Haltung aus dem Yin Yoga oder etwas, das Du sehr gerne tust. Nach ein oder zwei Haltungen baust Du langsam dynamischere Haltungen auf, wie Katze-Kuh oder ein kleiner Kobra-Kind-Flow. Beende Deine Praxis mit ein oder zwei Standhaltungen und einer stehenden Meditation, um nicht gleich wieder die Energie nach unten fließen zu lassen.

Wie Du merkst, ist Dein Nervensystem sehr komplex, aber glücklicherweise auch durch Deine Gedanken und Deine Taten im positiven Sinne beeinflussbar. All die genannten Praktiken kannst Du auch präventiv durchführen, denn Du kannst hier nicht zu viel regulieren. Wenn Dich das Thema interessiert, lies gleich anschließend unseren Artikel über Yoga und Stressmanagement.

Teil‘ diesen Artikel mit jemanden, der auch mal was für sein Nervensystem tun kann, und schreib‘ uns Deine Favoriten dazu in die Kommentare.

← Älterer Post Neuerer Post →

Blog

RSS
ME, MYSELF & I: YOGA UND DAS EGO

ME, MYSELF & I: YOGA UND DAS EGO

Im Yoga stehen wir uns selbst gegenüber. Im Zuge dessen begegnen wir auch dem Ego – einem durchaus gefürchteten Teil unseres Selbst. Denn als Yoga-Praktizierende...

Weiterlesen
BURNOUT: WENN DER KÖRPER AUSGEBRANNT IST

BURNOUT: WENN DER KÖRPER AUSGEBRANNT IST

„Ich kann nicht mehr!“ Das sagt uns der Körper im Burnout. Er gibt auf, er ist ausgebrannt. Dabei hat der Körper uns schon davor gewarnt....

Weiterlesen