ES IST ZUM HAARE RAUFEN: ÜBER YOGA BEI STRESSMANAGEMENT

ES IST ZUM HAARE RAUFEN: ÜBER YOGA BEI STRESSMANAGEMENT

„Nimm Dir Zeit. Ein Acker, der ausruhen konnte, liefert prächtige Ernte.“ Mit diesem Zitat machte schon der antike Dichter Ovid darauf aufmerksam, welche positiven Auswirkungen Stressmanagement auf den menschlichen Geist und Körper haben kann.

Doch was bedeutet Stress überhaupt? Hier gibt verschiedene Definitionen. Der Mediziner Hans Selye beschreibt Stress als „die unspezifische Reaktion des Körpers auf jede Anforderung, die an ihn gestellt wird“. Diese relativ breit gefasste Begriffserklärung versteht Stress also als eine Antwort auf diverse Reize. Diese können zum Beispiel physikalischer Natur sein, wie etwa eine Reaktion auf Kälte oder Hitze, oder einfach Hunger. Stress kann aber auch eine Antwort auf körperliche oder mentale Trigger sein, wie Verletzungen, Ängste oder Herausforderungen.

In vielen Fällen löst Stress sehr wichtige Reaktionsketten im Körper aus, um uns am Leben zu halten. Manchmal kann Stress aber auch aufgrund von Kommentaren oder Gedanken entstehen, was zum einen sehr individuell und zum anderen nicht so lebensbedrohlich ist wie andere Reize. Dieser Art von Stress wollen wir uns in diesem Text widmen, denn nur ihn können wir wirklich beeinflussen und managen.

 

Was passiert im Körper bei Stress?

Der Körper reagiert in verschiedenen Schritten auf Stress. Zuerst wird die Gefahr wahrgenommen, was oft mit einer kurzen Schockstarre einhergeht, und anschließend bereitet sich der Sympathikus, der Aktivierer unseres vegetativen Nervensystems, auf Kampf oder Flucht vor. Ist der Stressor nur von kurzer Zeit, wie zum Beispiel ein Schreckmoment, dann werden die Stresshormone allmählich im Körper wieder abgebaut und ein Normalzustand tritt ein. Bleiben wir aber unter Dauerstress, wie beispielsweise Stress zu Hause oder auf der Arbeit, dem wir immer wieder ausgesetzt sind, droht der Körper zu erschöpfen, da er diesen Zustand des Langzeitstresses nicht mehr aufrechterhalten kann. Leiden wir unter Dauerstress, so kann das unserem Gedächtnis schaden, Emotionen können abflachen und unser Gedächtnis kann darunter leiden.

Wie wir auf individuelle Trigger reagieren, ist auch sehr abhängig von der Tagesverfassung und auch der psychischen Gesundheit generell. Vielleicht kennst Du das auch von Dir selbst, wenn Du gut geschlafen hast und Dich einfach allgemein gut fühlst, bist Du vermutlich resilienter als an einem Tag, an dem Du schlecht geschlafen hast und der Start schon nicht so schön war. Davon abgesehen leben wir auch in einer Welt, die voll von Stressoren sein kann. Dadurch befindet sich der Sympathikus, der Aktivierer, oft in einer zu hohen Regulation, was über Stress bis hin zum Burnout führen kann, denn der Sympathikus reagiert schneller als sein Gegenspieler, der Parasympathikus. Mehr dazu findest Du im Blogartikel Yoga und das Nervensystem.

Interessanterweise sind viele Menschen oft besser auf große Stressereignisse wie Traumata vorbereitet als auf die kleinen, aber kumulativen Stressoren des Alltags, denn bei ersterem ist es gesellschaftlich deutlich akzeptierter, sich eine Auszeit oder Pause zu gönnen. Glücklicherweise wird das gesellschaftliche Bewusstsein immer mehr auf chronischen Stress und die seelische Gesundheit sensibilisiert. Das Gute ist zudem, dass Du Deinen Stress selbstständig managen und beeinflussen kannst, denn auf der einen Seite spielt oft Deine Einstellung eine primäre Rolle – also, je nachdem ob Du den Stressor als positive Herausforderung oder zum Beispiel als Belastung wahrnimmst – und auf der anderen Seite kannst Du Dein vegetatives Nervensystem, das für die körperliche Reaktion auf Stress zuständig ist, mit folgenden Techniken wieder regulieren.

 

Von Atem bis Zufriedenheit: Das A-Z des Stressmanagements

Wie Du vielleicht bemerkt hast, sprechen wir hier von „Management“ und nicht von der „Reduktion“ von Stress. Das kommt daher, dass wir immer mit stressigen Situationen oder Triggern konfrontiert sein werden – und das hat zu einem gewissen Maß auch etwas Gutes – wir wollen allerdings lernen, wie wir mit ihnen umgehen und uns wieder in ein reguliertes Nervensystem zurückholen können. Yoga und alles, was damit verbunden ist, eignet sich wunderbar dafür.

Etwas, was Du überall tun kannst, ist, bewusst zu atmen. Wenn Du möchtest, kannst Du Dir dafür noch die Hände auf den Körper legen, zum Beispiel auf Brust- und Bauchraum. Die Berührung, wenn Du so etwas magst, nimmt Dein Nervensystem als Körperkontakt wahr, den Du Dir vielleicht in stressigen Situationen sonst bei anderen Menschen suchst, um Dich wieder runterzuholen. Kinder sind ein dabei wunderbares Studienobjekt, wie Du Dein Nervensystem regulieren kannst. Sie kuscheln, wollen in den Arm genommen werden und wenn sie unruhig sind, greifen Erwachsene häufig zu rhythmischen Bewegungen wie wiegen oder schaukeln. Auch wenn Du kein Kind mehr bist, kann vieles davon nach wie vor beruhigend auf Dich wirken und Du kannst Dich genauso gut selbst umarmen, Dich wiegen und Dir Körperkontakt schenken. Wenn Du Dich selbst nicht gerne anfasst, kann hier ein Kissen eine wunderbare Barriere zwischen Deinen Händen und Deinem Körper sein und zudem kann diese Abgrenzung auch wie ein Schutzschicht nach außen hin aufgefasst werden, der Dir wiederum Sicherheit geben kann.

Hast Du das Gefühl, Du weißt vor lauter Stress gar nicht mehr, wo Dir der Kopf steht? Dann kann es helfen, Dich bewusst im Raum umzusehen, Dich zu orientieren und auch Gegenstände innerlich zu benennen, die Du siehst. Das reguliert Dein Nervensystem, lenkt Dich vom Stress ab und bringt Dich auch wieder in den Moment zurück. Zusätzlich hilft auch noch die Vorstellung der körperlichen Erdung dabei, wieder zu Dir zu finden. Dafür stellst Du Deine Füße auf den Boden und gehst mit Deiner Wahrnehmung genau dahin. Vielleicht drückst Du dabei noch fester in den Boden, um Deine Erdung bewusst zu spüren. Du wirst merken, dass sich dabei Dein Herzschlag und Dein Atem gleichzeitig wieder normalisieren.

All diese Übungen kannst Du problemlos überall durchführen und brauchst dafür keine Yogamatte. Sie sind eher darauf ausgelegt, Dich im stressigen Moment zu erden. Um eine langanhaltende Resilienz bei zu hohem Stress aufzubauen, ist eine ganzheitliche Yogapraxis sehr empfehlenswert. Hier hängt die Praxis davon ab, was Dir guttut und was Dich beruhigt. Während manche in den dynamischen Flows beim Vinyasa Yoga am besten abschalten, brauchen andere die Stille des Yin Yogas. Auch hier gibt es keine Norm, denn jede Art von Bewegung sorgt dafür, dass im Körper freigesetzte Stresshormone wieder abgebaut werden. Zudem schulen sämtliche Achtsamkeitspraxen wie Meditation und bedachte Bewegung unser Nervensystem darauf, mehr im Moment zu sein und sich nicht von Stressoren zu sehr mitreißen zu lassen. Beinhaltet Deine Yogapraxis zusätzlich Pranayama, so kannst Du in stressigen Situationen wieder auf diese Techniken zurückgreifen und bist zusätzlich geübt, Deinen Atem zu kontrollieren.

Du kannst genauso Yogatechniken abseits der Matte anwenden. Vielleicht nutzt Du Deinen täglichen Weg zur Arbeit für eine Gehmeditation. Dabei nimmst Du jeden Schritt bewusst wahr, spürst, wie Dein Fuß mit jedem Schritt abrollt und lässt den Atem frei fließen. Genauso gut kannst Du Deinen ersten Kaffee am Arbeitsplatz achtsam trinken, den Geschmack wahrnehmen und Dich so an Orten, die vielleicht Triggerpotenzial haben, mit etwas Positiven verbinden und Dich gleich schon mal vor Ort präventiv erden. Genauso gut kannst Du, bevor Du nach Hause gehst, 5 Minuten Pranayama praktizieren.

Allgemein gilt: je mehr wir präventiv und zwischendurch Stressmanagement üben, desto gewappneter sind wir für Situationen, in denen wir es einsetzen müssen. Und die Gelegenheit wird sich früher oder später zeigen – aber diesmal wirst Du bereit sein!

Meine Checkliste bei Stress

  • Ist der Trigger gerade bedrohlich oder nicht?
    • Wenn nein: dann kann ich mein Nervensystem wieder langsam regulieren
  • Wie ist meine Atmung gerade? Kann ich ihn bewusst verlangsamen und langsam durch den Mund ausatmen?
  • Gibt es eine andere, positivere Blickweise auf den Trigger?
  • Habe ich die Möglichkeit, mir einen ruhigen Ort zu suchen, mich achtsam zu streicheln oder zu umarmen, und einfach bei mir zu sein?
  • Kann ich meine angestaute Frustration oder anderen Emotionen gerade rauslassen? In ein Kissen boxen, laut schreien oder stoßhafte Ausatmung?
  • Wie geht es mir, nachdem ich mich mit meiner körperlichen Reaktion des Triggers beschäftigt habe?

Druck‘ Dir die Checkliste aus uns stell‘ sie Dir an einen Ort, wo Du sie brauchen kannst.

Was sind Deine liebsten Tools, um Stress zu managen? Schreib‘ sie uns in die Kommentare und teil‘ diesen Text mit einer Person, die auch von Stressmanagement profitieren würde!

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